Als der „King“ das Aschenbrödel Golf wach küsste

Arnold Palmer zum 84. Geburtstag …

Es war einmal… So fangen Märchen halt an. Dies ist eins. Das Märchen von einem nicht sonderlich populären Spiel, das eher ein Nischendasein fristete denn hoffähig zu sein. Von einem Prinzen, der das „Aschenbrödel“ an die Hand nahm. Vom Rampenlicht einer neuen Glitzerwelt. Ein Dreiecksverhältnis. Das Spiel war Golf. Hof gehalten wurde im Fernsehen. Der Prinz hieß Arnold Palmer. „The King“ war die treibende Kraft bei der endgültigen Professionalisierung einer Sportart,  bei der finalen Abkehr von jeglicher Amateur-Ideologie im Spitzenbereich. Vor 53 Jahren hielt das „Big Business“ Einzug ins Golf-Universum.

Wo anders hätte das stattfinden können, als im merkantilen Amerika. Bei den Erfindern der Sportvermarktung.

Arnie dominiert das Spiel

Wir schreiben 1960: Die Ära des großen Ben Hogan läuft aus; Jack Nicklaus ist gerade mal ein Twen, pummelig und noch Amateur. Der 30-jährige Arnold Palmer hat gerade das Masters (zum zweiten Mal nach 1958) und die US Open gewonnen, mit US-Präsident Dwight D. Eisenhower in Augusta gespielt. Er ist der Golfer der Stunde – und hat sportliche Flausen im Kopf.

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Die Golfer der 50er- und 60er-Jahre: Ben Hogan (l.) und sein Nachfolger Arnold Palmer.

Palmer ist auf dem Weg zur Open Championship in St. Andrews. Er will es Hogan nachtun, der 1953 in Carnoustie sein dritte Saison-Major und damit die „Triple Crown“ gewonnen hat. Besser noch: mit dem Größten gleichziehen! Mit Bobby Jones, der 1930 die offenen britischen und US-Meisterschaften sowie ihre Pendants für Amateure gewonnen hat, die vier bedeutendsten Turniere der Golfwelt, die damaligen Majors. Auch Palmer träumt von „The Impregnable Quadrilateral“. Vom „unbezwingbaren Viereck“, wie es Jones‘ Hof-Reporter O. B. Keeler nannte, bevor er beim Bridge klaute und das Wort-Ungetüm in Grand Slam umtaufte.

Doch diesen Grand Slam gibt es praktisch nicht mehr. Die „Amateurs“ fallen für den Berufsspieler Palmer aus und sind sowieso längst bedeutungslos. Die British Open ist ein skurriles Turnier auf den Schlechtwetter-Inseln jenseits des großen Teichs. Amerika bestimmt den Pulsschlag im Welt-Golf, nur die US-Majors machen was her.

Der moderne Grand Slam

Für Palmer indes ist die Open Championship Ehrensache. Er gilt als Nachfolger von Ben Hogan und bester Golfer seiner Zeit. Und er wittert seine Chance auf das ganz große Ding. Es muss halt nur ein neuer Grand Slam her, einer für Professionals: Die beiden Open sind gesetzt, das Masters ebenso. Bobby  Jones hatte sein „Golf-Hochamt“ in Augusta 1934 mit Blick auf die Zeichen der Zeit quasi schon als Major konzipiert. Er sah das Profitum unaufhaltsam kommen; nicht zuletzt deshalb erklärte der überzeugte Amateur unmittelbar nach dem Gewinn des Grand Slam seinen Rücktritt vom Turniergolf.

Beim Flug über den Atlantik nach Schottland knobeln Arnold Palmer, der Impresario Fred Corcoran, damals eine Art Don King des Golfsports, und Palmers „O. B. Keeler“, Robert Drum von der Pittsburgh Press, ein neues „unbezwingbares Viereck“ aus. Auch das fehlende Turnier ist flugs gefunden: Natürlich die Meisterschaft der Berufsgolfer, die PGA Championship. Sieben Jahre zuvor hätte  Hogan einen solchen Grand Slam gar nicht gewinnen können: „The Open“ und die „PGA“ lagen zeitlich zu dicht beieinander.

Drum war der eigentlich Initiator. Er hatte Palmer mit der Bemerkung geneckt, dass  der Triumph von Bobby Jones für den „King“ trotz aller Erfolge und Perspektiven letztlich unerreichbar sei. Nach der Landung machte er die Idee umgehend publik. PGA-Präsident Harold Sargent nahm dankend an. Voilà, es gab wieder einen Grand Slam!

Palmer hatte also gesprochen. Niemand widersprach. „Arnie“ durfte das. Er durfte fast alles. Der bullige Golfer aus Latrobe/Pennsylvania war ein Volksheld. Everybody’s Darling. Golfs erster Fernseh-Star. Ein Kerl von einem Mann, wenngleich bei knapp 1,80 Größe eher untersetzt. Schultern wie ein Kleiderschrank. Oberarme wie ein Dockarbeiter. Einer, der 270-Meter-Drives schlug und über den Platz rannte, förmlich walzte.

Emotional und charismatisch

Palmer war kein verschlossener Perfektionist wie Hogan. Seine Philosophie hieß: „Vertraue deinen Instinkten.“ Seine Schwung-Elemente waren „ein fester Griff, ein stabiler Kopf und heißes Verlangen nach einem guten Schlag“. Der begeisterte Flieger war am Schläger ein Haudrauf, immer im „Attacke-Modus“. Voller Emotionen, mit einer Ausstrahlung, die sich jeder Schauspieler nur wünschen kann. Unglaublich charismatisch und präsent. Jetzt noch, mit nunmehr 84 Jahren. Stets authentisch. Immer für seine Fans da, für die spätere „Arnie’s Army“ und alle anderen. Palmer und niemand sonst  ist bis heute der Maßstab, wenn Golf Digest „Golf‘s Good Guys“, die duftesten Typen auf der Tour kürt. Er war das „American Idol“.

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Charisma und Präsenz: Arnold Palmers war „Everybody’s Darling“ und Golfs erster Fernseh-Star.

Obwohl die Professionals dominierten, war Golf bis zum Zweiten Weltkrieg eine Angelegenheit der Herren von Stand, der Amateure. Die Pros – zwar seit 1916 in der PGA organisiert – waren zuerst mal Bedienstete der Clubs. Alle haben so angefangen: Snead, Sarazen, Nelson, Hogan. Als Caddies und Teilzeit-Pros in den Clubs. Sie tingelten über die Tour, um durch sportliche Meriten bessere Jobs fürs tägliche Brot zu bekommen.

Als Sohn von Milfred „Deacon“ Palmer, dem Pro im Latrobe Country Club, kannte Arnie das Zweiklassen-System nur zu gut. Es hätte als viertes Major nicht die PGA Championship sein müssen: Die Western Open z. B., heute bekannt als BMW Championship, war mindestens so prestigeträchtig. Aber Palmer wollte den Status der Berufsgolfer stärken, seine Gilde stützen.

In jenen Tagen hatte der gleichermaßen golfverrückte wie beliebte Präsident Dwight D. Eisenhower das Spiel  gesellschaftlich akzeptabel gemacht. Arnold Palmer machte es populär. Und das Fernsehen war dabei. Schon 1954 wurde erstmals die US Open übertragen, ab 1955 das Masters und seit 1958 auch die PGA Championship, nachdem das Matchplay-Format ins TV-freundliche Zählspiel geändert worden war. 1960 bezahlte der Sender ABC 150.000 Dollar für die TV-Rechte an einer Handvoll Turniere. „Es war das Jahr“, schrieb der legendäre Journalist Dan Jenkins, „in dem Arnold Palmer der breiten Masse das Golfspiel nahe brachte – schwitzend und kettenrauchend, mit fliegenden Hemdzipfeln und einer Urgewalt, die Bälle durch Baumstämme treibt.“

Fusion von Golf und Kommerz

Quasi parallel, aber weit weniger öffentlich tat sich Palmer 1958 mit einem Rechtsanwalt aus Cleveland namens Mark McCormack zusammen, der fürderhin Werbeverträge, Show-Matches und sonstwie Gewinnbringendes arrangieren sollte. Ein sporthistorisches Arrangement: McCormack zog rund um Palmer und seinen zweiten Klienten Gary Player (ab 1960) eine Firma hoch, die als International Management Group zum größten Sport-Management und -Marketing-Unternehmen der Welt wurde. Palmers Handschlag ebnete den Weg für die lukrative Fusion von Golf und Kommerz.

Durch das neue Medium Fernsehen war das Spiel endlich auch abseits des Platzes einigermaßen erlebbar. Trotz des Schwarz-Weiß-Bilds. 1960 hatten 88 Prozent aller Amerikaner mindestens einen Fernseher, zehn Jahre zuvor waren es gerade mal acht Prozent. Es gab Sitcoms mit golfenden Dads und „Celebrity Golf“, in dem Sam Snead vor laufenden Kameras gegen irgendwelche Show-Biz-Berühmtheiten spielte.

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Auch mit 84 der Maßstab für „Golf‘s Good Guys“: Arnold Palmer, hier mit Gary Player und Jack Nicklaus (v. l.).

Der telegene Arnold Palmer kam den Fernsehschaffenden als ultimatives Testimonial gerade recht. Mit McCormacks Hilfe machte Arnie Werbung für seine geliebten L&M-Zigaretten und Heinz-Ketchup. Er spielte mit einem Vertrag von Wilson für die damals einzigartige Summe von 4.000 Dollar jährlich und musste das Angebot eines Ausrüsterwechsels absagen, der ihm 150.000 Dollar für fünf Jahre eingebracht hätte. Der Deal, für damalige Verhältnisse von McIlroy-Nike‘scher Dimension, scheiterte, weil Wilson die Option zur Verlängerung des auslaufenden Kontrakts zog.

Der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt

Palmer wurde selbst zur erfolgreichen Marke. Der smarte Profi tauchte in der „Perry Como Show“ und bei Jack Paar in „The Tonight Show“, der Mutter aller Late-Night-Shows, auf. Er hielt auf einer Theaterbühne in New York Händchen mit Gina Lollobrigida – die Älteren unter uns werden sich an „La Lollo“ erinnern – und fuhr während seiner Turniere werbewirksam in den Carts einer Firma herum, deren Vizepräsident er war.

Kurzum: Arnold Daniel Palmer, geboren am 10. September 1929, Wehrdienstleistender bei der Küstenwache und in den sportlichen Anfangsjahren golfender und kundenbespaßender Repräsentant einer Farben- und Tapeten-Firma, war der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle. Er nährte das Fernsehen, das Fernsehen nährte Golf, Golf nährte Palmer. So entstehen Wirtschaftskreisläufe.

„The King“ ist siebenfacher Major-Sieger und eine Ikone des Spiels. Seine vielfältigen Golf-Unternehmungen, vom Platzdesign bis zur Getränke-Produktion, haben Palmer zu einem außerordentlich begüterten Mann gemacht. Er wurde 1960 in St. Andrews nur Zweiter, verhalf aber der Open Championship mit seinen Siegen 1961 und 1962 zu neuer Bedeutung in den USA. Doch der Grand Slam, selbst der Karriere-Grand-Slam, blieb ihm verwehrt. Denn die PGA Championship, die er zum Major machte, hat Arnold Palmer nie gewonnen.

(Dieser Text erschien in zwei verkürzten Fassungen bereits auf Golf Post – Das deutsche Online Golf-Magazin)
 
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