Kuhweiden-Billard gegen 200 Örtliche namens Ian

The Open Championship ist nicht nur wegen Jordan Spieths Grand-Slam-Jagd auch in den USA ein Hit. Aber das war nicht immer so …

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Walter Hagen hat mal gesagt: „Du bist nichts, wenn du nicht die Open gewonnen hast.“ Mit dieser Einschätzung befindet sich der elffache amerikanische Major-Sieger in bester Gesellschaft. Alle großen Golfer der Geschichte haben mindestens einen Open-Sieg in ihrer Palmarès.

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Aber es vergingen 55. Auflagen, bevor 1921 mit dem in St. Andrews geborenen Jock Hutchison und im Jahr darauf mit dem „echten“ Amerikaner Hagen die ersten US-Golfer den Claret Jug in Händen hielten. Unterdes hatten die eingewanderten oder als Attraktion über den großen Teich geholten Golfer von den britischen Inseln schon 18 Mal die US Open gewonnen.

Ambivalentes Verhältnis

The Open Championship ist das älteste Major der Welt und steht den drei „Kollegen“ in den USA in Nichts nach. Doch die Amerikaner mit ihren eigenen Golf-Hoheit USGA hatten bis in die 1960er-Jahre ein eher ambivalentes Verhältnis zu dem seltsamen Turnier der spleenigen Briten und ihres Royal & Ancient Golf Club of St. Andrews auf knochentrockenen, furchigen und vom Küstenwetter zerzausten Sandwiesen.

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Nicht von ungefähr gab‘s zwischen Sam Snead (1946) und Arnold Palmer (1961) lediglich den 53er-Triumph von Ben Hogan in Carnoustie.

„Golfen auf einem anderen Planeten“

Auch „The Hawk“ nahm nur einmal die beschwerliche und kostspielige Reise – mit dem Dampfer – auf sich, zeterte über die knallharten, von Divots übersäten Fairways und bot angesichts des struppigen Kurses sogar dem Greenkeeper an, ihm einen Rasenmäher zu besorgen: „Es scheint, als würde man hier nur ein paar Grüns und Tees aufwerfen und dazwischen ein schmales Fairway rausschneiden. Sonst machen sie nichts am Platz. Die Fairways sind blanker Boden, nirgendwo hast Du einen geraden Stand, und die Landschaft ist so eintönig, dass Du keine Anhaltspunkte hast, auf die Du zielen kannst.“ Aber Hogan zähmte das Biest Carnoustie, während die Leute euphorisch sein uhrwerkpräzises Spiel bestaunten – und kam nie wieder.

„Die Open zu spielen war wie Golfen auf einem anderen Planeten“, notierte US-Autor Curt Sampson in seinem Buch „The Eternal Summer“ über die Majors im Jahr 1960 sowie ihre Protagonisten Ben Hogan, Arnold Palmer und Jack Nicklaus. Hogan nannte es „bounce golf“ und wunderte sich über die oft fehlenden Abgrenzungen der Fairways: „Man schlägt und weiß nie, wohin der Ball springt, wenn er aufkommt.“ Das war nichts für die Amis und ihr Zielgolf auf manikürten Plätzen mit dichtem Gras-Flor.

Es lohnte sich nicht

Mehr noch: Die Open war für die Vertreter des merkantilen Amerika, wo das Sportmarketing erfunden und Golf mit Big Business verknüpft wurde, ein potentielles Verlustgeschäft. Es lohnte sich nicht. Sam Snead gewann die erste Open Championship nach dem Zweiten Weltkrieg, weil er von seinem Sponsor Wilson geschickt wurde, um das Marketing in der Alten Welt anzukurbeln, bekam ein Preisgeld von 150 Pfund und machte wegen der hohen Reisekosten 400 Dollar Verlust.

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1959 waren in Muirfield 13.400 Dollar Preisgeld im Topf, 1960 in St. Andrews 19.000. „Peanuts“ immer noch, wenn auf der US-Tour bei jedem 08/15-Turnier mindestens 25.000 Dollar bereit lagen und die Majors das Zweieinhalb- bis Dreifache dessen auslobten.

Ohnehin war ungewiss, ob man überhaupt ums Open-Preisgeld mitspielen durfte. Bis 1966 hatten nämlich nicht mal der jeweilige Titelverteidiger oder die amtierenden Masters- und US-Open-Sieger ein Startrecht. Jeder Open-Aspirant musste durch die Qualifikationsmühle.

„Gottverlassener Platz“

Was da auf die Gäste aus der Neuen Welt wartete, hat Curt Sampson am Beispiel 1960 anschaulich beschrieben: „Nach einem langen Flug nach London und einem weiteren nach Glasgow oder Edinburgh geht‘s per Leihwagen auf der falschen Straßenseite durchs Nirgendwo nach St. Andrews. Es folgen ein paar vom Winde verwehte Übungsrunden auf etwas namens Golfplatz, das man daheim so niemals sehen würde.“

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Nicht mal der legendäre Old Course (Bild oben) flößte den Amerikanern Respekt oder gar Anerkennung ein. Auch wenn der „Goldene Bär“ Nicklaus, der drei seiner bislang unerreichten 18 Majors auf britischem Boden gewann, konstatierte: „Will man ein Spieler werden, an den sich die Leute erinnern, muss man die Open in St. Andrews gewinnen.“ Als Sam Snead 1946 anreiste, fragte er nach einem Blick aus dem Zugfenster: „Was ist das denn für ein gottverlassener Golfplatz?“ „Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das St. Andrews ist“, lautet die indignierte Antwort eines Mitreisenden. Snead konterte eher despektierlich denn fragend: „Und auf so ‘was tragen Ihr eine British Open aus!“ Ein paar Tage später hielt er den legendären Claret Jug in Händen.

Zuvor aber musste selbst der Star aus Amerika durch‘s Qualifikationsturnier, „gegen mindestens 200 Örtliche namens Ian, die alle Experten im britischen ,Viehweiden-Billard‘ sind“, erzählt Curt Sampson weiter: „Im Siegfall kriegt man 140 Dollar und darf mit ebenso vagen Aussichten am Major teilnehmen. ,Zur Hölle damit!‘, sagten sich die US-Pros“.

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1,52 Millimeter Unterschied

Dann war da noch der Ball. R&A und USGA „spielten“ bis 1974 unterschiedliche Kugeln. Nur 1,52 Millimeter Diskrepanz im Durchmesser bei gleichem Gewicht: Aber mit dem kleineren britischen Ball war Golf ein ganz anderes Spiel, zumal auf den eh ungewohnten Open-Links. Damit nicht genug waren auch die Flaggenstöcke zwei Fuß (60 Zentimeter) kürzer als in de USA, so dass die Grüns auf den ersten Blick viel weiter entfernt schienen.

Große Reise, kleiner Ball, viel Wind, wenig Geld: Es musste einer schon gute Gründe haben, sich das alles anzutun. Die besten US-Golfer fuhren damals zur Open, um sie ihrer Major-Sammlung einzuverleiben.

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Für die Jones, Armour, Sarazen, Snead, Hogan, Palmer und Nicklaus war es Ehrensache, sich mit den Erfindern des Spiels auf deren Boden zu messen. „Mein Vater hat immer gesagt: Du wirst kein großer Spieler, wenn Du nicht nach Übersee gehst und Dich auf internationaler Bühne zeigst“, erinnert sich Arnold Palmer (Bild oben in Royal Birkdale 1961) an die Maxime von Golflehrer Deacon Palmer.

Win-win-Situation

Mit dem King als „American Idol“ und „Arnie‘s Army“, seinen Fans, wurde Golf massentauglich und fürs Fernsehen reizvoll. „Everybody‘s Darling“ Palmer war das ideale TV-Testimonial, die Mattscheibe wiederum machten den schnaufenden, rackernden, schwitzenden, ketterauchenden, bodenständigen und stets zugewandten Palmer (unten) zum Mega-Star. Win-win-Situation nennt man das.

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Was wunder, dass Palmer auf dem Höhenflug war, als er 1960 zur Open nach St. Andrews flog. Auf dem Weg über den Atlantik machte er noch flugs die PGA Championship zum Major und erfand so den modernen, den „Professional Grand Slam“, dem er als amtierender Masters und US-Open-Champion ausgerechnete auf dem Old Course einen weiteren Schritt näher kommen wollte. Er verlor indes gegen den weithin unbekannten Australier Kel Nagle, um einen Schlag bloß.

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Aber mit seinem Trip nach Schottland und erst recht mit den Erfolgen 1961 in Royal Birkdale (Bild oben) und im Jahr darauf in Troon richtete er die medialen Schlaglichter auf die Wiege des Golfsports und rückte das Major „The Open Championship“ wieder in den Fokus des amerikanischen Golf-Interesses.

(Dieser Text erschien in verkürzter Fassung bereits auf Golf Post – Das deutsche Online Golf-Magazin)

 

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