Wentworth: Das Wimbledon des Golfsports

Über den Schauplatz der BMW PGA Championship…

Wentworth ist britisches Empire. Irgendwie. Das zinnengeschmückte Clubhaus hat was von einem Kastell, gotischer Stil. Auf der Terrasse servierte vor nicht allzu langer Zeit noch ein bärtiger Sikh mit Turban den „Afternoon Tea“. Samt Scones mit „clotted cream“, Erdbeermarmelade und Gurken-Sandwiches. Loch 19 heißt Burma Bar, auf der Karte steht auch ein Cocktail namens „Call me Old-Fashioned“ („Nenn mich altmodisch“). Das Commonwealth lässt grüßen. Vielleicht liegt es daran, dass Schloss Windsor quasi um die Ecke liegt, königlich bewohnt seit fast 1.000 Jahren.

Heimspiel der European Tour: Die BMW PGA Championship im Wentworth Club. Foto: European Tour

Private Enklave im Londoner Speckgürtel

Der Wentworth Club, wo jetzt wieder die PGA Championship steigt, ist eine private Enklave im südwestlichen Speckgürtel von London. Man lebt in den Wentworth Estates, im sportlichen Angebot sind neben Golf auf drei 18-Loch-Parcours und einem 9-Loch-Kurzplatz auch Tennis, Schwimmen und Fitness/Spa. Postalisch gehört alles zu Virginia Water, der ersten Gemeinde außerhalb Londons mit durchschnittlichen Haus-Preisen von über einer Million Pfund (ca. 1,3 Millionen Euro) . Von Wentworth aus dirigiert auch Keith Pelley als Geschäftsführer und mit Hilfe von rund 160 Mitarbeitern die Geschicke der European Tour. Es gab schon mit der Einführung des Race to Dubai immer mal Pläne, im Wüstenstaat ein neues Hauptquartier zu bauen, aber das scheiterte an den Kosten. Und wohl auch an der Verbundenheit mit Wentworth.

1805 „klotzten“ der Höfling Charles Culling Smith und seine Gemahlin Lady Anne Fitzroy, die Schwester des späteren Waterloo-Siegers und Napoleon-Bezwingers Arthur Wellesley, besser bekannt als Herzog von Wellington, das eingangs erwähnte markante Anwesen in die Grafschaft Surrey. 1920 kaufte der Projektentwickler George Tarrant „Wentworth House“ und viel umliegendes Land, ließ die Wentworth Estates entstehen und engagierte den großen englischen Architekten Harry S. Colt für die Anlage der Golfplätze.

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Schauplatz des „allerersten“ Ryder Cups

Colt baute 1924 den Ostkurs und 1926 den Westkurs, der seit 1984 permanenter Schauplatz des Heimspiels der European Tour ist. Das Turnier wurde 1955 als British PGA Championship gegründet und gastierte schon zwischen 1972 und ‘74 in Wentworth. Im Winter 2005/2006 verpasste Ernie Els, der in den Estates lebte und als „World-wide touring Professional“ offizieller Club-Botschafter war, dem Westkurs ein Make-up. „The Big Easy“ verlängerte den Platz um 280 auf 6.682 Meter und ließ 30 neue Bunker bauen.

Tatsächlich fand in Wentworth sogar der „allererste“ Ryder Cup statt. Vor der British Open 1926 in Royal Lytham & St. Annes (Sieger Bobby Jones) trafen sich nach Gleneagles 1921 wieder mal britische und amerikanische Profis zu einem Wettspiel. Golffan Samuel Ryder stiftete ursprünglich dafür seine berühmte Trophäe. Die Briten gewannen haushoch, aber weil das US-Team keine gesamtamerikanische Auswahl war, sondern aus den wegen der Open zufällig anwesenden Spielern bestand, hielt Ryder seinen Pokal zurück. Damit wurde das ganz offiziell organisierte Duell 1927 in Worcester/Massachusetts zum ersten amtlichen Kontinental-Wettkampf. 1953 indes kam auch Wentworth noch in den Genuss eines „regulären“ Ryder Cups.

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Miniröcke und chinesische Millionen

Ab 2004 gehörte der Wentworth-Club dem englischen Textil-Milliardär Richard Caring, der den Grundstein seines Vermögens in den 1960er-Jahren mit der Produktion von Miniröcken legte. Ungeachtet eines Buchwerts von „nur“ rund 100 Millionen Euro blätterte der Unternehmer mit einem Minderheitspartner knapp 160 Millionen hin. „Wentworth ist für Golf, was Wimbledon im Tennis ist“, schwärmte Caring von seinem neuen Schatz: „Es gibt nur ein Wentworth in der ganzen Welt!“

Trotz des ausgewiesenen Faibles verhökerte Caring sein Juwel bereits nach zehn Jahren für 169,2 Millionen Euro an das chinesische Unternehmen Reignwood Investments mit Hauptsitz in Peking. Er habe seit seiner Übernahme 2004 ständig Kaufangebote erhalten, aber auf „den Richtigen“ gewartet, sagte Caring dazu. Die neuen Besitzer machten sich umgehend unbeliebt.

Platz schaffen für Superreiche

Reignwood-Chef Dr. Chanchai Ruayrungruang und seine Tochter Woraphanit, die im Vorstand installiert wurde, schickten sich an, Mitglieder per saftiger Gebührenerhöhung zu vergraulen. Anstelle des bereits stattlichen Jahresbeitrags von 11.000 Euro sollten die 3.000 Clubangehörigen künftig 22.000 Euro zahlen und zudem für 130.000 Euro eine Anleihe des Clubs zeichnen – oder austreten. Damit wollte Reignwood offenkundig den Altbestand kräftig ausdünnen, um Platz für eine neue Klientel von Superreichen aus China und Russland zu schaffen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung: Mindestens 20 Millionen Pfund (27 Millionen Euro) Vermögen. Wentworth selbst begründet die Maßnahme mit notwendigen Investitionen in die Plätze und sonstigen Einrichtungen.

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Zwischendrin gab’s auch noch Stress mit der European Tour. Deren Boss Keith Pelley war angetreten, die Attraktivität seines Circuits als „adäquate Option und lebensfähige Alternative“ gegenüber den fetten Dollarweiden der PGA Tour signifikant zu erhöhen, und mit Wentworth alles andere als zufrieden. Vorrangig ging es um das Preisgeld für die BMW PGA Championship. Aber auch der in die Jahre gekommene sowie von Els zu wild „bebunkerte“ und allein schon deswegen von vielen europäischen Stars gemiedenen West Course bekam sein Fett weg: „Der Platz muss erheblich verbessert werden, so dass unsere Top-Pros ihn jedes Jahr unbedingt spielen wollen!“ Zu allem Überdruss wollte Reignwood der Tour eine stark erhöhte Nutzungsgebühr abknöpfen. Keine guten Voraussetzungen für ein schiedlich-friedliches Klima in Wentworth.

Investitionen in ein Politikum

Der clubinterne Zwist hatte sich inzwischen zu einem ausgewachsenen Politikum entwickelt. Die erbosten Mitglieder drohten mit einer Klage, schrieben sogar dem britischen Parlament und beklagten eine „ernsthafte Belastung des englisch-chinesischen Verhältnisses“ beklagten, selbst das Außenministerium sowie Chinas Botschaft waren involviert. Vater und Tochter Ruayrungruang trafen sich derweil sogar mit Donald Trump, damals nur Golfanlagen-Tycoon, zum Erfahrungsaustausch bezüglich der Führung von Luxusanlagen. Nach fünfmonatigem „Feuer unterm Dach“ legte sie ihre Pläne schließlich ad acta. Investiert wurde trotzdem. Über die Furcht vor einem möglichen Verlust der European Tour oder zumindest ihres Renommier-Turniers kann nur spekuliert werden.

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Die Arbeiten am West Course begannen, kaum dass Chris Woods im vergangenen Jahr seinen Siegputt gelocht hatte. Unter der Federführung des Tour-Ablegers European Tour Design und in Zusammenarbeit mit Ernie Els Design wurden alle Grüns „skalpiert“, ganz neu gebaut oder mindestens remodelliert, mit einer modernen Beregnungsanlage und einer unterirdischen Belüftung versehen und wieder eingesät. Außerdem verschwanden 29 Bunker, die verbliebenen hat man entschärft.

Jetzt, sagte Keith Waters, als Chief Operating Officer die Nummer zwei der European Tour, vor einiger Zeit im Gespräch mit dem Autor, „ist der West Course wieder ein Schmuckstück“. Auch dank der „großartigen Zusammenarbeit“ mit den Besitzern. Waters sprach von generösen Partnern, die verstanden hätten, worum es gehe, mit denen man bei notwendigen Baumaßnahmen nicht wegen „ein paar zehntausend Dollar“ feilschen müsse. „Wentworth“, befand unlängst Titelverteidiger Wood, „wird dieses Jahr viel Spaß machen!“

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